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Der Brunnen zu Sternberg

Am nördlichen Rande des Begatales ragt die Burg Stemberg aus dem Grün des Waldes hervor, der alte Sitz der früheren Grafen von Sternberg. Dort befindet sich ein Brunnen, der über fünfzig Meter tief ist, und dessen Eimer durch ein großes Tretrad aufgezogen und niedergelassen wird. Ein mühevolles Werk war es, den Schacht des Brunnens durch das Felsgestein so tief zu graben. Die Sage schreibt den Brunnenbau zwei Rittern zu, die von dem Grafen von Sternberg nach langer, blutiger Fehde besiegt worden waren. In dem dunklen, schaurigen Burgverlies hielt er sie gefangen. Schon hatten sie alle Hoffnung aufgegeben, wieder befreit zu werden, da meldete ihnen der Kerkermeister eines Tages, dass er ihnen kein Wasser zum Trunke reichen könne. Die Quellen an den Abhängen des Berges seien in der Hitze des Sommers versiegt, die Brunnen in der Umgebung ausgetrocknet und die gräfliche Familie sei selber furch den Wassermangel in große Not gebracht. Sofort ließen die Gefangenen dem Grafen melden, dass sie bereit seien, mit eigener Hand einen Brunnen auf dem Burghof zu graben, so tief, dass es ihm niemals an Wasser fehlen werde, wenn er ihnen nach vollbrachtem Werke die Freiheit schenke. Der Burgherr willigte ein.

 Freudig begannen die beiden das saure Werk. Von der Frühe des Morgens bis zum Schein des Abendsterns, in Frost und Hitze arbeiteten sie sich durch das harte Gestein. Wenn der Schweiß von der Stirn träufelte und die Hände matt werden wollten, so hielt sie die Hoffnung aufrecht, und sie verzagten nicht. Jahre vergingen, tiefer und tiefer wurde er Brunnenschacht; noch aber zeigte sich von dem Felsenquell keine Spur. Da, an einem lieblichen Frühlingsmorgen, wurden sie noch einmal hinabgelassen in den dunklen Schlund. Gewaltige Hammerschläge .dröhnten aus der Tiefe; ein lautes Freudengeschrei folgte nach. Das erste Wasser sprudelte aus dem Felsen hervor und begann den Brunnen zu füllen. Schnell wurden die Ritter wieder emporgezogen. Die Sonne leuchtete ihnen so freundlich entgegen, im schönsten Frühlingsglanze breitete sich die Welt vor ihren Blicken aus. Die Bande, die immer noch ihren Füße gefesselt hielten, wurden gelöst; mit dem Rufe: "Freiheit! Freiheit!" stürzten sie sich einander in die Arme und - sanken leblos zu Boden. Das Übermaß der Freude hatte sie getötet.